Muslimische Flüchtlinge warten in Traiskirchen auf ihr Essen. Derzeit ist Ramadan, und wer sich daran hält, darf erst nach Sonnenuntergang essen.

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Jenes Gebäude, rund 50 Kilometer von Bratislava entfernt, in dem Flüchtlinge aus Traiskirchen aufgenommen werden sollen auf einem undatierten Archivbild.

APA/BMI

Wien/Bratislava/Luxemburg – Noch bevor die EU-Innenminister am Donnerstag in Luxemburg über die Verteilung von Flüchtlingen diskutieren, haben Österreich und die Slowakei eine erste bilaterale Lösung gefunden. Die Slowakei soll 500 Flüchtlinge aus dem überfüllten Zentrum in Traiskirchen versorgen, teilte ein Sprecher von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) mit. Kritik an dem Deal kommt von mehreren politischen und NGO-Vertretern.

Vor dem EU-Ministerrat sagte Mikl-Leitner, bereits im Juli würden die ersten 50 Flüchtlinge in die Slowakei kommen. Im August sollen weitere 200 und im September 250 umgesiedelt werden. "Wenn die EU es nicht schafft, rasch eine nachhaltig faire, fixe Quote zu fixieren, dann müssen wir bilateral aufs Tempo drücken", erklärte die Ministerin.

Gespräche über die Kooperation habe es schon länger gegeben, bei einem Telefonat mit dem slowakischen Innenminister Robert Kaliňák am Mittwochabend sei sie dann fixiert worden. Details dazu wollten die beiden Minister nach einem erneuten "Abstimmungsgespräch" in Luxemburg bekanntgeben.

Bürger, die Neues fürchten

Der Vertrag soll in den nächsten Tagen unterzeichnet werden und vorerst für zwei Jahre gelten. Wenn Österreich es brauche, könnten es aber auch drei oder vier Jahre werden, sagte Kaliňák. Er habe keine Sorgen, dass der Deal in der Slowakei nicht akzeptiert werden könnte. In Wahrheit gebe es immer Bürger, die Neues fürchteten. "Aber wir können die Dinge erklären."

Fest steht, dass es sich bei der Zusammenarbeit nur um die Betreuung der Flüchtlinge handelt – die Asylverfahren werden weiterhin von den österreichischen Behörden geführt. Bei einem positiven Bescheid würden in der Slowakei betreute Flüchtlinge nach Österreich zurückkommen. "Diese Initiative ist ein Beitrag dazu, dass die Slowakei hier Solidarität zeigt. Ein kleiner Schritt, aber mit großer Signalwirkung", sagte Mikl-Leitner.

Freunde in Regentagen

Die konkrete Aufteilung der Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge ist noch nicht geklärt. "Wir teilen die Kosten", sagte Mikl-Leitner. Zusatzkosten würden jedenfalls nicht anfallen. "Es geht lediglich um Betreuungskosten, und die werden auf jeden Fall nicht höher sein als in Österreich", betonte der Sprecher der Ministerin. "Für Österreich ist das unterm Strich billiger", so die Innenministerin.

Gegenleistungen erhält die Slowakei demnach keine. Es handelt sich laut Kaliňák um eine freiwillige Vereinbarung, deren Hintergrund die Unterstützung Österreichs vor etwa zehn Jahren sei, "als wir nicht in einer guten Position für Schengen waren und uns (Liese) Prokop und (Günther) Platter (damalige Innenminister, beide ÖVP, Anm.) geholfen haben. Österreich hat uns geholfen. Das sind nicht nur Freunde in sonnigen Tagen, sondern auch in Regentagen."

Bei den Personen, die umgesiedelt werden sollen, handelt es sich jedenfalls nicht zwangsläufig um "Dublin II"-Fälle, also Personen, für deren Verfahren ohnehin ein anderes europäisches Land zuständig wäre. Untergebracht werden sollen sie etwa 30 Kilometer von der österreichisch-slowakischen Grenze entfernt in einem Universitätsgebäude im Ort Gabčíkovo nahe Ungarn. Das Gebäude gehöre zur Technischen Uni Bratislava und sei zum Teil noch in Betrieb, teilte das Innenministerium am Donnerstag mit.

Kritik an dem Deal

Kritik an dem Deal wurde am Donnerstag in Österreich laut. Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt sagte, er empfinde "angewidertes Entsetzen". Vor allem die Aussage "Für Österreich ist das unterm Strich billiger" von Mikl-Leitner stoße ihm auf. Man gebe Flüchtlinge quasi in der "Gepäckaufbewahrung" ab, so Patzelt: "Ich halte das für erbärmlich und grotesk." Österreich könnte es schaffen, alle Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, etwa in Privatquartieren, so der Amnesty-Generalsekretär.

Die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun ärgerte sich, dass "die neoliberale Logik, dass alles ständig billiger werden muss, also nun auch vor Menschenrechten nicht haltmacht".

Die Asylkoordination ortete juristische Probleme. "Der Vorschlag verstößt gegen das österreichische Asylrecht", sagte Vereinsobfrau Anny Knapp. Asylwerber, deren Asylverfahren in Österreich bearbeitet wird, die aber in der Slowakei untergebracht werden, würden sich illegal in der Slowakei aufhalten, dürften sich also nicht frei bewegen, erklärte sie.

Die Caritas sieht die Pläne ambivalent: Jedes Quartier, das verhindere, dass Hunderte in Traiskirchen ohne Dach und Bett schlafen müssen, sei zu begrüßen, meinte Generalsekretär Bernd Wachter in einer Aussendung. Eine nachhaltige Lösung sei das aber nicht. Der Vertrag zwischen Österreich und der Slowakei müsse offengelegt werden. Und: "Es geht hier nicht um die Frage, welche Lösung die für Österreich günstigste ist, sondern darum, ob Österreich Asyl auch in Zukunft als ein Menschenrecht anerkennt."

Solidarität bei Kapazitätsproblemen

Lob kam hingegen vom europäischen Asylbüro EASO. "Das freut mich sehr. Das ist ein gutes Zeichen europäischer Solidarität, wenn ein Nachbar einem Mitgliedsstaat, der Kapazitätsprobleme hat, zur Hilfe kommt", sagte EASO-Generaldirektor Robert Visser in Luxemburg gegenüber der APA.

Auch rechtlich sieht Visser, anders als etwa der Verein Asylkoordination Österreich, keine Probleme. Zwar stimme es, dass ein Schutzsuchender, der in Österreich einen Antrag auf Asyl gestellt hat, eigentlich nicht in andere EU-Staaten reisen dürfe. "Aber das europäische Recht sieht die Möglichkeit vor, einem Flüchtling vorzuschreiben, sich während des laufenden Verfahrens an einem bestimmten Ort aufzuhalten. Das kann auch ein anderes EU-Mitgliedsland sein, wenn ein bilateraler Vertrag existiert", erklärte Visser.

Zentral sei lediglich, dass Österreich weiter für die Flüchtlinge verantwortlich bleibe und sich mit der Slowakei auf "Qualitätskriterien" für deren Betreuung einige. Wenn dies so geregelt werde, sehe er darin ein Modell für andere europäische Staaten. "Das ist ein Weg, den viele Staaten einschlagen könnten und auch sollen."

An der Uni-Außenstelle in Gabčíkovo jedenfalls dürfte sich die Nutzung als Asylquartier noch nicht herumgesprochen haben. Auf telefonische Nachfrage wurde der STANDARD auf das slowakische Innenministerium verwiesen.

Auch Tschechien übernimmt Flüchtlinge

Tschechien will indes ab September bis zu 1.100 Flüchtlinge von Italien und Griechenland übernehmen, bis 2017 sollen zusätzlich 400 Personen aus Lagern in Jordanien und Kurdistan hinzukommen. Das hat die tschechische Regierung am Mittwochabend beschlossen und damit Innenminister Milan Chovanec ein entsprechendes Mandat für das Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag in Luxemburg erteilt, wie Vizepremier Pavel Bělobrádek vor Journalisten bestätigte.

Was mit Flüchtlingen passiert, denen Tschechien kein Asyl gewährt, soll mit der EU noch verhandelt werden, hieß es. Premier Bohuslav Sobotka hatte unmittelbar vor der Regierungssitzung kritisiert, dass die südliche Grenze des Schengen-Raumes nicht ausreichend gesichert sei, "weder in Griechenland noch in Italien". Tschechien wolle sich jedenfalls für die Realisierung der von der EU angekündigten Rückführungspolitik einsetzen. Tschechien hatte zu jenen EU-Ländern gezählt, die den Vorschlag der EU-Kommission strikt ablehnten, verbindliche Quoten für die Annahme der Flüchtlinge festzulegen. (APA/red, 9.7.2015)